Erinnerst du dich an Unirea Urziceni im Jahr 2009/10? Oder vielleicht an Oțelul Galați in der Saison 2011/12? Beide waren rumänischer Meister und spielten in der Champions League. Unirea wurde 2011 aufgelöst, Oțelul spielt heute in der dritten Liga Rumäniens. Sie sind das perfekte Beispiel für den tiefen Fall von Rumäniens Fußball. Der letzte Klub, der in der Champions League spielte, war Steaua Bukarest (der offizielle Name ist jetzt Fotbal Club FCSB) in der Saison 2013/14. Aber auch die ruhmreichen Tage von Steaua sind vorbei. Sie waren in einer Zeit, als auch die rumänische Nationalmannschaft am Höhepunkt ihres Schaffens war. 1986 war Steaua der erste osteuropäische Klub, der den Europapokal der Landesmeister, den Vorläufer der Champions League, gewann. Steaua siegte gegen Barcelona im Elfmeterschießen mit 2:0, nachdem Torhüter Helmuth Duckadam alle 4 (!) Elfmeter der Katalanen pariert hatte. 1989 stand Steaua erneut im Europapokal-Finale, war aber chancenlos (0:4) gegen den großen AC Mailand von Arrigo Sacchi. Bis heute ist die Dominanz von Steaua in den späten 1980-er Jahren unerreicht: Sie halten immer noch den Rekord für die meisten ungeschlagenen Spiele hintereinander in einer Liga. Zwischen 1986 und 1989 war Steaua in 104 Spielen in der heimischen Liga ungeschlagen. Der längste ungeschlagene Ligalauf in Europas Top-5-Ligen wurde vom AC Mailand aufgestellt, der zwischen 1991 und 1993 58 Spiele ohne Niederlage absolvierte.
Unter dem Diktator Ceaușescu durften die großartigen rumänischen Fußballer nicht zu einem ausländischen Klub wechseln. Nach der Revolution von 1989 war dies endlich möglich. Gheroge Hagi spielte für Real Madrid und Barcelona, Gheorghe Popescu für Tottenham und Barcelona, Dan Petrescu für Chelsea, Ilie Dumitrescu für Tottenham und Sevilla, Marius Lăcătuș für Florenz und Miodrag Belodedici für Valencia. Einige von ihnen konnten ihr Potenzial jedoch nie voll ausschöpfen. Hagis beste Zeit kam erst bei Galatasaray. Auch die Nationalmannschaft schöpfte in den 1990-er Jahren nur selten ihr Potenzial aus. Bei der Weltmeisterschaft 1990 spielten sie in der Gruppenphase 1:1 gegen Weltmeister Argentinien, verloren aber im Elfmeterschießen im Achtelfinale gegen Irland. Vier Jahre später gewannen sie ihre Gruppe und schlugen Argentinien im Achtelfinale mit 3:2, nur um dann gegen Schweden zu verlieren, wiederum im Elfmeterschießen. Die Partie gegen Argentinien galt später als das beste Spiel des Turniers, doch die beiden vielleicht unterhaltsamsten Mannschaften, Rumänien und Bulgarien, trafen nicht in einem Balkan-Finale aufeinander. 1998 gewann Rumänien seine Gruppe erneut und schlug England mit 2:1. Im Achtelfinale verlor man gegen Kroatien mit 1:0. Bis jetzt war dies Rumäniens letztes WM-Spiel, sie konnten sich danach nie wieder qualifizieren. Gleichzeitig waren auch die Teilnahmen an Europameisterschaften nicht von Erfolg gekrönt. Für die Turniere 1988 und 1992 konnten sie sich nicht qualifizieren, 1996 schieden sie bereits in der Gruppenphase aus. Bei der EM 2000 besiegten sie England mit 3:2 in der Gruppenphase, verloren aber im Viertelfinale gegen Italien mit 0:2. Das war es, das letzte Turnier der „Generația de Aur“, der so berühmten goldenen Generation. Ihr Fußball war zeitweise so wunderschön und hin und wieder erzielte sie erstaunliche Ergebnisse, aber sie erreichte niemals die Resultate, die möglich gewesen wären. Während Steaua in den späten 80-er Jahren eine der besten Vereinsmannschaften war, kam die Nationalmannschaft nie über ein Viertelfinale hinaus.
Im Anschluss kam eine Übergangsphase mit vielversprechenden Talenten wie Adrian Mutu, der seinen Körper leider nie so behandelte, wie es sich für einen Profifußballer gehört, und soliden Spielern wie Shaktars Răzvan Raț, Getafes Cosmin Contra, Auxerres Daniel Niculae, Portos Cristian Săpunaru und Lazios Ștefan Radu. Unter der Führung ihres Kapitäns Cristian Chivu von Inter konnte die Nationalmannschaft nie Konstanz auf hohem Niveau finden. Aber diese Mannschaft ist nicht mit der heutigen zu vergleichen. Vor kurzem hatten sie die Chance, sich für die Europameisterschaft 2021 zu qualifizieren. In den Playoffs verlor man mit 1:2 gegen Island. Das war der letzte Beweis dafür, dass der rumänische Fußball einen Tiefpunkt erreicht hat: Nicht in der Lage zu sein, sich für ein Turnier mit 24 Teilnehmern zu qualifizieren, bei dem 56 Mannschaften die Qualifikation spielten. Ein Land mit 20 Millionen Einwohnern, das größte Land Südosteuropas.
Allerdings gab es Licht am Ende des Tunnels während des Sommers 2019. Bei der U-21-Europameisterschaft konnte Rumänien seine Gruppe gewinnen, mit Siegen gegen Kroatien (4:1), England (4:2) und einem Unentschieden (0:0) gegen Frankreich. Es war keine große Überraschung, denn Rumänien qualifizierte sich mit 7 Siegen und 3 Unentschieden, obwohl die talentierte portugiesische Mannschaft in ihrer Qualifikationsgruppe war. In einem unterhaltsamen Spiel gegen Deutschland im Halbfinale verlor Rumänien mit 2:4, gewann aber die Herzen von Millionen Rumänen. Dieser Erfolg war nicht nur dem Trainer Mirel Rădoi zu verdanken, sondern vor allem „Gică" Hagi. Obwohl viele Rumänen ihn immer noch als übergewichtigen pensionierten Fußballspieler betrachten, war er einer der wenigen, die aktiv wurden, anstatt nur zu reden. Im Jahr 2009 gründete er die Gheorghe-Hagi-Fußball-Akademie. Sie ist eine der größten und modernsten in Südosteuropa und kostete 11 Millionen Euro. Die erste Mannschaft spielt unter dem Namen Viitorul Constanța (viitorul bedeutet die Zukunft) und gewann 2016/17 die rumänische Meisterschaft. Von der U-21 Rumäniens, die das Halbfinale erreichte, wurden 11 Spieler in seiner Akademie ausgebildet oder spielten für Viitorul. Welche Spieler sollte man auf dem Zettel haben?
Der bekannteste ist wahrscheinlich Hagis Sohn, Ianis Hagi. Ein moderner Spielmacher, der so beidfüßig ist, dass er Ecken, Freistöße und Elfmeter entweder mit dem rechten oder linken Fuß schießt. In seiner jungen Karriere hat er jedoch außerhalb Rumäniens nie überzeugt. Zurzeit spielt er für die Glasgow Rangers spielt, konnte aber bei Florenz oder in Genk nie sein Potenzial zeigen. Ein weiterer interessanter Spieler ist Denis Man, ein Linksfuß der auf dem rechten Flügel spielt, von wo er oft nach innen zieht, um den Torabschluss zu suchen. Wie Man spielt auch Florinel Coman für Steaua, wenn auch auf dem linken Flügel, ist sehr schnell und ein guter Dribbler, doch er ist eher ein Vorlagengeber als selbst Torjäger. Die Tatsache, dass er noch immer in Rumänien spielt, liegt wohl an seiner Liebe zu Partys und Zigaretten. Im Angriff spielt der für Reading auflaufende George Pușcaș, der der perfekte moderne Stürmer ist. Körperlich stark, gut am Ball, ein Wandspieler, der auch tiefe Läufe machen kann und von innerhalb und außerhalb des Strafraums Tore schießen kann. Cristian Manea ist ein Rechtsverteidiger, der auch für Steaua spielt. Wie viele andere wurde er in der Akademie von Hagi ausgebildet. Er ist ein moderner, dynamischer Verteidiger, der – Stand heute – stärker in der Vorwärtsbewegung ist als im Verteidigen. Es mag andere Spieler aus dem erfolgreichen U-21-Kader geben, die ein Toplevel erreichen könnten, aber ein weiterer Spieler, der ein großes Potenzial dafür hat, ist sicherlich Olimpiu Moruţan, obwohl er damals nicht zur U-21 gehörte. Er ist ein offensiver Mittelfeldspieler und spielt für Steaua. Er verfügt über großartige Pass- und Dribblingfähigkeiten, kann durch seine Läufe Linien durchbrechen und ist ein pressingresistenter Spieler. Er passt perfekt in eine 4-3-3- oder 3-1-4-2-Formation als einer der beiden 8-er und könnte schon bald Richtung Westen wechseln.
Rumänien hatte immer schon großartige Trainer wie Ștefan Kovács, der in den 70-er Jahren Ajax trainierte. Anghel Iordănescu war mehrmals Trainer der Nationalmannschaft, auch 1994. Mircea Lucescu baute die erfolgreichste Mannschaft Osteuropas auf und gewann 2009 mt Shaktar Donezk den UEFA-Pokal. 2019 gewann sein Sohn Răzvan Lucescu mit PAOK Saloniki den griechischen Pokal und die erste Meisterschaft seit 34 Jahren mit rekordverdächtigen 80 Punkten (26 Siege, 4 Unentschieden, 2 Punkte wurden durch ein Gerichtsurteil abgezogen). Mirel Rădoi, der derzeitige Trainer der rumänischen Nationalmannschaft, zeigte ebenfalls eine klar erkennbare Spielphilosophie mit der U-21.
In der Vergangenheit gab die Presse den Trainern der Nationalmannschaft immer die Schuld, wenn sie nicht erfolgreich waren. Die Wahrheit ist jedoch, dass die Spieler einfach nicht in der Lage waren, Konstanz auf hohem Niveau zu erreichen. Mit einer neuen vielversprechenden Generation, die endlich wirklich „golden" sein könnte, wenn sie einen Titel gewinnt, hat Rumänien das Potenzial, wieder auf die Weltkarte des Fußballes zurückzukehren. Jetzt liegt es an ihnen, Gheorghe Hagi hat das Fundament dafür gelegt. Nach der erfolgreichen Europameisterschaft der U-21, sagte er sogar: „Diese Generation könnte besser sein als unsere".