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Vorteile kreieren

Wir lieben es, andere Sportarten zu beobachten und besonders Taktiken oder bestimmte Konzepte können dabei sehr interessant sein. Die Idee aus diesem Artikel kommt aus einer anderen Sportart, dem Basketball. Wir haben davon im Laker Film Room Podcast gehört. Dort wurden Offensivspieler in drei verschiedene Kategorien eingeteilt: Advantage Creator („Vorteilschaffer“), Advantage Extender („Vorteilerweiterer“) und Advantage Capitalizer („Vorteilausnutzer“).

Die besten Spieler der Welt sind in allen drei Kategorien zu finden, aber die meisten normalen Spieler können in eine oder zwei der drei Kategorien eingeordnet werden. Messi zum Beispiel kann den Ball annehmen, einen Verteidiger ausspielen (d.h. einen Vorteil kreieren), ein paar Meter dribbeln, ohne den Ball zu verlieren und ohne dass der Verteidiger zu ihm zurückkommt (d.h. den Vorteil ausbauen) und dann ein Tor schießen (d.h. den Vorteil ausnutzen).


Aber was ist mit normalen Spielern? Welche verschiedenen Möglichkeiten gibt es, um einen Vorteil für eine Mannschaft zu kreieren (advantage creator)? Ein Beispiel ist ein Flügelspieler, der einen numerischen Vorteil schafft, indem er ein offensives 1 vs. 1 gewinnt. Filip Kostić ist ein Spieler, der perfekt in die Kategorie eines reinen advantage creators fällt. Normalerweise legt er den Ball einfach an seinen Verteidigern vorbei und bringt ihn dann in den Strafraum. Ein anderes Beispiel ist ein Innenverteidiger oder ein defensiver Mittelfeldspieler, der einen guten Pass nach vorne spielt und so einen Mitspieler in eine vorteilhafte Position bringt. Die andere Möglichkeit ist, dass er den Ball selbst nach vorne dribbelt und sich so selbst in eine vorteilhafte Position bringt. Die letzte Möglichkeit, sich einen Vorteil zu verschaffen, ist das Gewinnen eines defensiven 1 gegen 1, da dies ebenso wie das Gewinnen eines offensiven 1 gegen 1 einen gegnerischen Spieler ausschaltet. Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Vorteilsgeber ein Spieler ist, der seiner Mannschaft jede Form der Überzahl verschaffen kann. Im Fußball gibt es drei verschiedene Arten von Überzahl:


Positionelle Überzahl bedeutet, eine bessere Position als der Gegner zu haben, z. B. direkt hinter einer gegnerischen Linie, die dann mit einem guten ersten Kontakt durchbrochen werden kann.


Quantitative Überzahl bedeutet, mehr Spieler als der Gegner in einem bestimmten Raum zu haben.


Qualitative Überzahl bedeutet, dass nicht alle Spieler die gleichen Fähigkeiten haben, was ein Trainer erkennen sollte. Es kann sinnvoll sein, den besten/schnellsten/größten Spieler auf den schlechtesten/langsamsten/kleinsten gegnerischen Spieler zu setzen und dieses Duell ständig auf dem Spielfeld zu suchen. Nicht alle Eins-gegen-Eins-Duelle sind Zweikämpfe mit der gleichen Chancenverteilung. Im Basketball nennt man das „Mismatch“, wenn z. B. ein besonders kleiner Spieler gegen einen besonders großen Spieler spielen muss. Auch im Fußball kann so etwas ausgenutzt werden. So ließ Sir Alex Ferguson im Champions-League-Finale 2008 Cristiano Ronaldo auf der linken Seite spielen, obwohl Ronaldo zuvor fast die gesamte Saison über als Mittelstürmer gespielt hatte. Der Grund dafür war einfach: Bei Chelsea spielte Essien, ein gelernter Mittelfeldspieler, als Rechtsverteidiger, dessen Schwäche sein Kopfballspiel war. Ronaldo erzielte das 1:0 in der 26. Minute mit einem unglaublichen Kopfball, indem er einfach höher sprang als Essien.


Die nächste Kategorie ist der advantage extender. Das ist ein Spieler, der den zuvor geschaffenen Vorteil am besten ausnutzen, oder zumindest aufrechterhalten kann. Um einen Vorteil auszubauen, kann der advantage extender entweder passen oder dribbeln. Ein Spieler, der dazu in der Lage ist, könnte ein Box-to-Box-Mittelfeldspieler sein, der seine Athletik und Geschwindigkeit nutzt, um einen Ball, den er von einem Verteidiger erhalten hat, durch das Mittelfeld zu dribbeln. Eine andere Möglichkeit ist wiederum der Flügelspieler. Nach einem diagonalen Ball von einem Innenverteidiger (der dem Flügelspieler einen Positionsvorteil verschafft hat) könnte er zum Beispiel mit einem guten ersten Kontakt am Verteidiger vorbeigehen und so den Vorteil, den der Innenverteidiger geschaffen hat, ausbauen. Ein weiteres Beispiel für einen advantage extender ist ein 10er, oder ein hängender Stürmer, der geschickt Räume zwischen den Linien findet, wo er durch einen guten Pass von einem Verteidiger, oder einem defensiven Mittelfeldspieler angespielt werden kann. Wiederum schafft der Verteidiger/defensive Mittelfeldspieler den Vorteil, der 10er kann den Ball mit einem guten ersten Kontakt kontrollieren und so die gegnerische Mittelfeldlinie durchbrechen, um dann in Richtung der gegnerischen Verteidigung zu dribbeln. Er baut also den Vorteil durch einen guten ersten Kontakt aus. Das Gleiche gilt für einen Wandspieler. Er bekommt sehr oft lange Bälle von seinen Verteidigern. Da er in der Regel sehr gut den Ball halten kann, hat der Verteidiger mit seinem (präzisen) langen Ball eine qualitative Überlegenheit geschaffen. Der Wandspieler kann nun diesen Vorteil ausbauen, indem er den Ball kontrolliert und ihn zu seinem Sturmpartner ablegt oder weiterleitet, der nun selbst den Vorteil entweder wieder ausbauen muss oder ihn direkt ausnutzen kann.


Dies bringt uns direkt zur letzten Kategorie: Der advantage capitalizer, oder der Spieler, der das Tor schießt. Dies kann generell jeder Spieler auf dem Feld sein, aber normalerweise ist es einer der Stürmer. Die große Ausnahme sind Standardsituationen, weil man sehr oft auch Verteidiger hat, die daraus Tore erzielen. Für diese Kategorie ist keine große Erklärung nötig. Die Spieler, die ausschließlich in diese Kategorie fallen, sind reine Vollstrecker, die außer dem Toreschießen nicht viel zum Spiel beitragen. Erling Haaland könnte einer davon sein, oder Alassane Pléa, um die vielleicht besten Abschlussspieler der Bundesliga zu nennen. Auch Serge Gnabry ist ein großartiger Abschlussspieler, aber er kann auch Vorteile schaffen und ausbauen, weshalb er nicht nur in dieser Kategorie zu finden ist.


Wie bringen wir dieses Konzept nun auf das Feld? In der Theorie ist alles, was ein Angriff im Fußball braucht, ein geschaffener Vorteil. Advantage Extender können diesen Vorteil dann mehrfach ausbauen, um ihn dann auszunutzen. Natürlich ist dies nur theoretisch und das Verlängern von Vorteilen ist nicht immer so einfach, da die Spieler immer die richtigen Entscheidungen treffen müssen und keine technischen Fehler machen dürfen. Vorteile können durch Dribblings und Pässe erzeugt und ausgebaut werden und durch Schüsse verwertet werden. Einen Vorteil auszubauen ist eine wirklich schwierige Sache und wahrscheinlich das, womit die meisten Teams zu kämpfen haben. Es ist relativ einfach, einen Vorteil durch numerische Überlegenheit im Aufbauspiel zu schaffen. Der schwierige Teil ist jedoch, diesen Vorteil sauber in das gegnerische Drittel zu verlängern. Das ist der Grund, warum viele Mannschaften es versäumen, den Vorteil auszubauen und den Ball einfach in den gegnerischen Strafraum flanken. Sie gehen direkt von der Vorteilsschaffung zur Vorteilsausnutzung über.

Welchen praktischen Nutzen haben wir von dieser Information und welche berühmten Spieler gehören zu welcher Kategorie?


A: Der reine advantage creator. Er sollte sein Spiel einfach halten und nicht versuchen, etwas Ausgefallenes zu machen. Filip Kostić ist ein großartiges Beispiel: Er legt den Ball am Verteidiger vorbei und flankt ihn in den Strafraum. Spielstarke Mittelfeldspieler wie Andrea Pirlo oder Sergio Busquets sind andere Beispiele. Sie brauchen nicht unbedingt immer einen advantage extender, da sie bereits einen guten Vorteil für einen capitalizer schaffen können (zumindest im Fall von Kostić halten sie ihr Spiel so einfach, dass sie in einer guten Position vielleicht nicht einmal einen advantage extender sehen würden). Alles, was sie brauchen, ist ein guter advantage capitalizer.


B: Der reine advantage extender. Dieser Spieler braucht immer andere Spieler, um zu glänzen und wird nie in der Lage sein, selbst ein Spiel zu gewinnen. Mesut Özil ist hier ein perfektes Beispiel. Der reine advantage extender ist ein Spieler, der normalerweise viele Assists, aber nur wenige Tore erzielt. Bei Real Madrid fand Özil sehr oft clevere Positionen zwischen den gegnerischen Linien, bekam gute Pässe von Xabi Alonso (dem creator) und leitete sie an Cristiano Ronaldo (dem capitalizer) weiter, um sie zu vollenden. Zwischen 2010 und 2013 assistierte Özil Ronaldo bei 27 Toren! Ein Wahnsinnswert, der perfekt zeigt, was ihre Rollen waren. Das Problem mit dem reinen Extender ist, dass er nie in der Lage sein wird, ein Spiel alleine zu gewinnen, was viele Leute an Mesut Özil immer kritisierten. Er braucht andere Spieler (creator), die ihn glänzen lassen, um andere Spieler (capitalizer) glänzen zu lassen. Wenn er jedoch richtig eingesetzt wird, kann er eine tödliche Waffe sein. Leider haben das viele Fans im Falle Özils nie verstanden.


C: Der reine advantage capitalizer. Hier sind nicht viele Worte nötig. Eine echte Nummer 9, die sich nur im Abschluss auszeichnet. Der erste Spieler, der uns in den Sinn kam, war Roy Makaay. Heute könnten es der alte Cristiano Ronaldo oder Erling Haaland sein.


D: Mischung aus advantage creator und advantage extender. Ein Spieler, der sowohl Vorteile schaffen als auch ausbauen kann, aber nicht gut darin ist, sie zu nutzen. Franck Ribéry ist ein gutes Beispiel. In seinen besten Zeiten beim FC Bayern gewann er sein 1 gegen 1 und dribbelte dann in die Mitte, um einen Pass zu spielen oder vielleicht den hinterlaufenden David Alaba anzuspielen. Im Gegensatz zu Robben auf der anderen Seite schoss er aber selten aufs Tor.


E: Mischung aus advantage extender und advantage capitalizer. Ein Spieler, der Vorteile sowohl ausbauen als auch ausnutzen kann, aber nicht gut darin ist, sie zu schaffen. Dies ist ein Spieler, der immer auf der Suche nach einer guten Position ist und auch gut im Abschluss ist, selbst aber nichts kreieren kann. Berühmte Spieler in dieser Kategorie sind Thomas Müller oder Antoine Griezmann.


F: Eine Mischung aus advantage creator und advantage capitalizer. Ein Spieler, der sowohl Vorteile schaffen als auch ausnutzen kann, aber nicht gut darin ist, sie auszubauen. Dies ist eine interessante Kategorie, da sie sehr unterschiedliche Spielertypen beinhaltet. Toni Kroos ist gut darin, durch sein exzellentes Passspiel Vorteile zu schaffen, bringt sich aber so gut wie nie in gefährliche Positionen, in denen seine Mitspieler ihn mit einem guten Pass finden können, da er bei Real der primäre Spielmacher ist. Allerdings hat er eine großartige Schusstechnik und ist exzellent im Abschluss aus der Distanz oder mit seinem Trademark-Schuss, dem Schuss mit der Innenseite des rechten Fußes in die rechte untere Ecke nach einem Zuspiel von der rechten Seite. Der andere ist ein ganz anderer Spielertyp: Arjen Robben. Wie bereits erklärt, geann er sein 1 gegen 1 und schoss dann in der Regel auf das Tor. Kein Passspiel, Dribbling, oder sonstiger „Schnickschnack“.


G: Eine Mischung aus advantage creator, advantage extender und advantage capitalizer. Der komplette Offensivspieler und die ultimative Bedrohung für jede Verteidigung. Das Problem für die Abwehr ist, dass sie nie wissen kann, ob dieser Spieler – nachdem er einen Vorteil geschaffen hat – diesen ausbauen oder sofort ausnutzen wird. Wenn z.B. Arjen Robben sein 1 gegen 1 gewonnen hatte, schoss er meistens den Ball Richtung Tor (capitalizer). Er spielte fast nie einen Pass zu einem Mitspieler, der in einer besseren Position ist (was in diesem Fall ein Ausbauen des Vorteils wäre). Bei Messi weiß man nie, was als nächstes passieren wird. Er gewinnt sein 1 gegen 1 (schafft einen Vorteil), dribbelt an der Verteidigung vorbei (baut aus) und spielt dann vielleicht einen cleveren Pass zu Jordi Alba (baut aus), um dann den Ball zurückzubekommen (wieder ausgebaut, indem er eine neue gute Position findet), um dann aufs Tor zu schießen (ausnutzen). Diese Kategorie ist ein Alptraum für jede Verteidigung. Allerdings findet man nur die allerbesten Spieler wie Benzema oder Messi in dieser Kategorie.


Es gibt sehr oft viele verschiedene Typen von Spielern in jeder Kategorie. Das zeigt, dass es im Fußball viele verschiedene Wege gibt, um vor das gegnerische Tor zu kommen. Wenn ein Spieler offensiv gefährlicher werden will, sollte er versuchen, sein Spiel kompletter zu gestalten und am besten in die Kategorie G zu kommen.


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