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Packing – Zielgerichtetes Passspiel

Statistiken werden im Fußball als zwiespältig angesehen: die einen stempeln es als Zahlenzirkus ab, die anderen schwören darauf. Während immer wieder neue Kennzahlen wie „Expected Goals“ (xG) oder „Passes Per Defensive Action“ (PPDA) eine interessante und eine andere Sichtweise auf das Spielgeschehen werfen, so gibt es immer noch „alte“ Statistikwerte bei denen Relevanz und Aussagekraft hinterfragt werden kann.


Das hier vorgestellte Konzept nennt sich „Packing“ und wurde u.a. von einem Ex-Profi von Bayer Leverkusen – Stefan Reinartz – erstellt. Ballbesitz, Torschüsse, Zweikampfquoten sind alles Werte, die wir bei jedem Spiel zu sehen bekommen, aber wirklich schlau werden wir daraus häufig nicht. Im Gegensatz zum seit 2014 existierenden Packing. Es ermittelt, wie viele Gegner ein Spieler überspielt. Anhand des Beispiels Barcelonas im Champions League Finale 2011 gegen Manchester United sei Packing erklärt: Busquets (Passgeber) Pass auf Messi (Passempfänger) überspielt vier Gegenspieler. Diese Spieler sind nun „gepackt“ und können, zumindest für den Augenblick, nicht mehr ins Spielgeschehen eingreifen.

Der Gedanke dahinter ist einfach und logisch: die Chance ein Tor zu erzielen wächst, je näher ein Spieler am gegnerischen Tor ist. Um ein Gegentor zu verhindern, positionieren sich möglichst viele gegnerische Spieler zwischen Ball und Tor. Das Ziel ist also für eine Mannschaft möglichst viele gegnerische Spieler zu überspielen, damit diese das Tor nicht mehr verteidigen können. Gegner können entweder durch einen Vertikalpass, einen Diagonalpass oder ein Dribbling überspielt werden. Zusammen ergeben sie die Packingrate. Toni Kroos überspielte beispielsweise im Spiel der EM 2016 gegen die Ukraine insgesamt 112 Gegenspieler. Daraus ergibt sich eine Packingrate von 112. Da besonders das Überspielen von Verteidigern sehr effizient ist, da sie die letzte Verteidigungslinie vor dem eigenen Tor bilden, wird dieser Wert gesondert aufgeführt, in der sogenannten „Impectrate“ (Impect ist auch der Name von Reinartz Datenfirma). Kroos überspielte in jenem Spiel 14 Verteidiger, hatte also eine Impectrate von 14.


Spieler wie Kroos weisen generell eine hohe Packingrate auf, ähnlich verhält es sich bei spielstarken Innenverteidigern wie Jérôme Boateng oder Mats Hummels. Aber auch Özils Stärken werden dank Packing ersichtlich: nicht nur weist er als Passgeber oft eine starke Packingrate bzw. Impectrate durch viele Steckpässe auf, sondern ist auch ein exzellenter Passempfänger durch sein gutes Positionsspiel zwischen den gegnerischen Linien. Dies wird ebenfalls in einer separaten Kennzahl festgehalten: die aus dem Spiel genommene Gegner als Passempfänger. Die durch eine Offensivaktion aus dem Spiel genommenen Gegner werden dem Passempfänger angerechnet. Somit hat in unserem Beispiel Messi als Passempfänger vier generische Spieler aus dem Spiel genommen.


Dennoch ist auch das Konzept Packing nicht perfekt. Ein Spieler sollte nicht darauf reduziert werden, wie viel Spieler er überspielen kann, oder wie oft er sich zwischen den Linien als Passempfänger anbieten kann. Oft macht es Sinn das Spiel zu beruhigen, beispielsweise durch einen neu aufgesetzten Spielzug über den Torwart. Auch ein Querpass kann ein Dosenöffner sein und einen Mitspieler entscheidend einsetzen, obwohl dadurch kein Gegenspieler überspielt worden ist. Ein Spieler, der den Pass zwischen gegnerischem Mittelfeld und Angriff bekommt und im selben Augenblick von mehreren Gegner gepresst wird und dadurch den Ball verliert, bringt der Mannschaft in diesem Moment auch keinen Erfolg. Auch haben generell Spieler eine bessere Packingrate je weiter hinten sie spielen, da sie potentiell mehr Gegner überspielen können. Alles in allem überwiegen aber die Vorteile des Konzepts, da teils nicht sofort sichtbare Qualitäten auf dem Platz, sei es als Passgeber oder Passempfänger, besser ersichtlich werden.


Leider findet man im Internet wenig bis gar keine Packingwerte. Reinartz erklärte dazu, dass die Zusammenarbeit mit Vereinen intensiviert und weniger die Öffentlichkeit gesucht wird, wie das noch bei der EM 2016 im deutschen Fernsehen der Fall war. Uns würde es freuen, diese Werte öfter zu sehen zu bekommen, da sie eine wahre Bereicherung sind und den Horizont mit Blick auf das Spiel erweitern.


#whatif


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